Case #6 - Disziplin und Freiheit


Trevor war 33 Jahre alt. Er wuchs mit seiner Mutter in Indien auf, wusste aber gar nichts über seinen Vater. Er besuchte eine alternative Schule, wo die Schüler viele Freiheit aber wenig Anleitung bekamen. Er kam in seinen 20-ern nach Australien, feierte kräftig und arbeitete viel härter.

Während seiner Kindheit und Jugend arbeitete seiner Mutter ständig; Trevor sah sie kaum, obwohl sie in demselben Haus lebten. Seine Mutter kam nach Australien vor 5 Jahren, kaufte ein Haus, wo er heute wohnt. Sie macht die verlorene Zeit wieder gut – sie verbringen jetzt mehr Zeit zusammen, als auch immer in seiner Kindheit.

Trevor war klug, charmant, selbstsicher, aber er konnte für sich scheinbar keine Freundin finden oder zumindest eine langfristige Beziehung aufrechterhalten. Es gab viele Angelegenheiten zu besprechen. Eine zentrale Sache war die Frage der Unterstützung vs. Freiheit.

Trevor wuchs in großer Freiheit auf – sowohl in der Schule als auch zu Hause – bekam aber wenig Unterstützung und Struktur. Ich brachte das in die Therapiesitzungen hinein. Ich schlug ihm vor, dass ich einen seiner Lehrern aus der Schule spiele. Zuerst spielte ich die Rolle eines Lehrers, der den Schülern viele Freiheit gab, und prüfte, wie Trevor sich fühlte. Es war ein vertrautes Gefühl für ihn, nämlich der Genuss der Freiheit, aber gleichzeitig das Gefühl der Verlorenheit. Danach spielte ich den Lehrer, den er nie hatte: denjenigen, der ihm klare Strukturen gab, aber ihn auch ermunterte.

Es brachte Tränen in seine Augen und seine zugrunde liegende Angst nahm sofort ab. Zur gleichen Zeit war das ihm unbekannt und er fühlte ein gewisses Aufbegehren. Als nächstes verwechselten wir die Rollen. Ich spielte ihn und Trevor spielte den Lehrer, der Strukturen einstellte und Unterstützung gab. Das fan der sehr angenehm und fühlte sich solid.

Das warf eine Reihe von Themen auf, in denen wir uns mehr vertieften, ganz genau: Struktur, Unterstützung, Ermutigung, Angst und Aufbegehren. Ich bat ihn, die Stellen in seinem Körper zu identifizieren, in denen er jede dieser Erfahrungen fühlte. Dann bat ich ihn, ein Bild zu zeichnen, das all diese Elemente beinhaltet. Ich gab ihm sogar die Hausaufgabe, eine ganze Serie aus diesen Bildern zu zeichnen.

In der darauffolgenden Woche kam Trevor mit einer großen Erkennung zurück: er konnte niemals diese getrennten Gebiete zusammenführen – Struktur war mit der Arbeit verbunden, Freiheit mit dem Feiern und sein Verlamgen nach Anerkennung führte zu eine Art manipulatives Verhalten in den Beziehungen.

Als sein Bewusstsein auf jedem Gebiet zunahm, war er imstande, diese getrennten Aspekte von sich selbst integrieren zu beginnen. Während dieses Prozesses verwendeten wir das Gestalt-Experiment, um die verschiedenen Teilbereichen von dem Selbst zu verkörpern und damit spielen zu können. Wir brachten ehemalige Erfahrungen in die Gegenwart, schuf neue Erlebnisse, um das Bewusstsein zu erhöhen, und entdeckten diese Erfahrungen im Rahmen der Körperempfindung. Wir benutzten den kreativen Prozess der Kunst, um das Bewusstsein weiter zu vertiefen. Außerdem verwendeten wir die therapeutische Beziehung, um einen sicheren Platz zu sichern, das ermöglichte, all diese Themen in Dialog bringen zu können.



 Eingestellt von  Steve Vinay Gunther